Die Idee ist faszinierend und leuchtet gerade auch all jenen ein, die wissen, wie gut es tut, morgens Yoga zu praktizieren: Früh aufstehen – idealerweise um 5 Uhr – und die erste Stunde des Tages dem eigenen Wohlbefinden schenken. 20 Minuten schweisstreibende physische Aktivität, 20 Minuten Meditation und 20 Minuten ein erbauendes Buch lesen oder ein Video anschauen, das der persönlichen Weiterentwicklung dient. Diese Formel stellt der Bestseller-Autor Robin Sharma («Der Mönch, der seinen Ferrari verkaufte») in seinem neuen Roman vor.
Eine unglückliche Unternehmerin und ein mittelmässiger Künstler treffen den kauzigen Milliardär Stone Riley, der sie auf eine Reise um die Welt mitnimmt und sie dabei in die Methode des «5 Uhr Clubs» einführt. Diese Morgenroutine soll «von den produktivsten Leadern und Leistungsmenschen des Planeten» benutzt werden, von den «Erbauern von Imperien, Super-Leistungsmenschen und Rettern der Zivilisation». Kein Wunder, sind die beiden am Ende des Buches reich, höchst erfolgreich in ihrem Beruf und erfüllt in ihrem Privatleben…
Es hat wunderbare Tipps und Hinweise, wie wir uns wieder verstärkt auf das Wesentliche im Leben konzentrieren und uns weniger von den sozialen Medien ablenken lassen können. Auch die Idee, früher aufzustehen und sich eine Stunde zu schenken, in der man sich Gutes tut, ist toll und wirkungsvoll. Sharma stellt neurowissenschaftliche Studien zum Thema vor, geht auf die vier inneren Reiche Psyche, Gefühle, physischer Körper und Spiritualität bzw. Seele ein und erläutert das Konzept des «täglichen Aufschichtens»: Es geht nicht um den einmaligen grossen Wurf, sondern um kleine tägliche, unscheinbare Verbesserungen, die im Lauf der Zeit zu erstaunlichen Ergebnissen führen. Als Beispiel nennt er den Taj Mahal im indischen Agra, der in 22 Jahren entstand und bis heute zu den schönsten Bauwerken der Welt zählt.
Ich bin überzeugt, dass gute Morgenrituale Produktivität, Kreativität und Gesundheit verbessern und uns mehr mit uns selbst verbinden. Doch das Buch baut auf den Idealen einer von männlichen Werten geprägten Gesellschaft auf, mit deren Auswüchsen wir zurzeit auf allen Ebenen konfrontiert werden:
Was man tut, reicht nie ganz, sonst wird man lethargisch. Deshalb geht es darum, immer weiter zu streben, sich auf das nächste Ziel zu fokussieren, ein herausragender Leistungsmensch zu werden.
Etwas anstrengend sind zudem die unzähligen Zitate, die gebracht werden, um eine Aussage zu unterstreichen. Schopenhauer, Rumi, Freud, John Grisham und viele mehr werden kunterbunt zitiert, um dann sofort zum nächsten Thema zu springen. Sie machen den Text holprig und lassen den Kopf schwirren mit der Frage: Was genau muss ich mir jetzt merken?
Trotz diesen Schwächen lohnt es sich, in das Buch einzutauchen, Ideen und Vorschläge zu notieren und aus der Fülle das mitzunehmen, was für einen persönlich stimmig ist.
Robin Sharma. Der 5 Uhr Club. Gestalte deinen Morgen und in deinem Leben wird alles möglich. O.W. Barth Verlag 2019. 399 Seiten, Fr. 31.90