Letzthin kam in einem Gespräch mit einer Berufskollegin mal wieder ein sehr altes Thema auf: die „Erdung“ – unsere Verbindung zu diesem grossen Ding, das sozusagen unten an unseren Füssen klebt (um die Sichtweise einmal umzukehren).
Dabei ist mir wieder einmal aufgefallen, dass wir uns im Yoga zwar immer sehr aufmerksam damit beschäftigen, wie wir stehen, wir uns bisweilen aber recht selten explizit bewusst machen, auf wem wir hier eigentlich stehen. Oder sitzen. Oder liegen. Oder kopfstehen natürlich, wems gefällt 🙂
In der Asanapraxis des Hatha Yoga beschäftigen wir uns zumeist vor allem in denjenigen Stellungen intensiv mit der Erdung und Verwurzelung, in denen sie eben gerade nicht so selbstverständlich und einfach zu erreichen ist. Zum Beispiel in der Baumhaltung, Standhaltungen, oder auch in Meditationshaltungen, wo die Möglichkeit, die Basis zu verlieren, mehr psychologischer als physischer Natur ist. Hingegen bietet uns Hatha Yoga auch viele ganz selbstverständlich anmutende Möglichkeiten, mit „Mutter Erde“ wieder intensiver in Kontakt zu treten. Alle Haltungen, bei denen wir grossflächigen Bodenkontakt haben, wie zum Beispiel die am Ende jeder Stunde praktizierte „Totenstellung“ Shavasana, ermöglichen es uns, einen Perspektivenwechsel in Bezug auf unseren, vom Boden normalerweise ja weit entfernten westlichen Alltag vorzunehmen. Doch dazu später mehr.
Zunächst eine kleine schulische Repetition: Die Erde ist der fünftgrösste der acht Planeten im Sonnensystem. Sie bewegt sich mit einer Bahngeschwindigkeit von rund 10’000 km/h (!) um die Sonne herum. Dabei dreht sie sich (am Äquator gemessen) mit ca. 1700 km/h um sich selbst. Aus kosmischer Sicht ziemlich dynamische Sache also..
Für uns im Vergleich winzige, diesen rasenden Felsball bevölkernde Lebewesen hingegen ist sie ein Ruhepol und Energielieferant. Erde ist eines der fünf grobstofflichen Elemente der indischen Samkhya-Philosophie (Erde, Wasser, Feuer, Wind, Raum), die diese übrigens auch mit den alten Griechen gemein hat. Dabei steht sie für Stabilität, Zentrierung, Ausgeglichenheit und Stärke. Energetisch wird sie dem Wurzelchakra im Bereich des Perineums und allgemeiner den ganzen Beinen und Füssen zugeordnet.
Warum ist es in der Yogapraxis so wichtig, immer wieder bewusst zum Boden zurückzukommen? Die Beantwortung dieser Frage liegt sicher auch darin, uns in unserer Umgebung wahrzunehmen. Im Gegensatz zu Ländern wie zum Beispiel Japan verbringen viele von uns im Alltag sehr wenig Zeit am Boden, geschweige denn auf der Erde. Wir liegen im Bett, gehen, sitzen auf Stühlen, Bänken, in Verkehrsmitteln … Nur unsere Füsse berühren den Boden direkt, meist wohlgepolstert durch ein Paar weiche Sohlen.. Vielleicht legen wir uns im nahenden Sommer einmal im Freibad auch mal auf die Wiese, aber das wars dann auch schon. Es kann eine sehr befreiende Erfahrung sein, so etwas Einfaches wie Bodenkontakt wieder intensiv zu spüren. Tun wir es also einfach. Besonders in dieser Vorweihnachtszeit, wo so viel Bewegung in der Welt ist.