Text: Rahimo Täube und Birgid S. Täube
Für die meisten Yogalehrenden ist Sinn und Zweck des Yoga, eine Insel der Ruhe zu schaffen, in der stressgeplagte Menschen aufatmen und sich mit sich mit ihrem Körper und Geist verbinden können. Doch gerade in einem solch heilsamen Raum können auch schwierige Gefühle hochkommen, die ernst genommen werden wollen.
In Rückbeugen zum Beispiel wird der Herzraum gedehnt, weitet und öffnet sich. Dadurch haben alte, lange verdrängte und verborgene Gefühle, wie Trauer und Schmerz, endlich den Raum, sich zu zeigen. Sie nutzen die Gelegenheit – und die Tränen fliessen, was gut ist. Denn Spannungen entstehen – seit unserer Kindheit – in bedrohlichen, schmerzhaften Situationen, die uns Angst machen. Da versucht unser Körper, sich vor dem Bedrohlichen zu schützen, indem er sich unbewusst zusammenzieht und in die Erstarrung geht. Unsere Muskeln spannen sich an, können sich aber nicht so einfach wieder ent-spannen. Das traumatische Erleben speichert sich im Organismus.
Wenn wir nun im Yoga intensiv und tiefgreifend auf unsere Muskulatur einwirken, rühren wir auch an diese alten, in den Muskeln gespeicherten Gefühle – und können sie wieder aktivieren. Das heisst, wenn wir ent-spannen, kann die angespannte Abwehrhaltung aufweichen. Sie wird durchlässiger und offener gegenüber den bisher abgewehrten und aufgestauten Gefühlen. So können Angst, Schmerz, Trauer und Wut ins Fliessen kommen, ins Bewusstsein drängen und sich schliesslich auflösen.
Mehr zum Thema in der aktuellen Ausgabe 4/23.