„Es drängt mich, Bilanz zu ziehen“, schreibt Niklaus Brantschen in seinem neuen Buch „Zwischen den Welten daheim“, das zu seinem 80. Geburtstag erschienen ist. Das Buch ist sehr persönlich. Niklaus Brantschengibt einige Aspekte seines reichen Erfahrungsschatzes und seines erfüllten Lebens preis. Verfasst ist es in der für ihn typischen Mischung aus Schalk und Ernsthaftigkeit und mit der leisen Absicht, die Leserinnen und Leser zum Innehalten anzuregen und sich zu fragen: Wie ist das bei mir?
Sein Anliegen, Lesende zu inspirieren, selber in ihrem Leben Raum zu lassen für die stille Einkehr, durchzieht alle Kapitel. Stille als Voraussetzung für ein Engagement im Kleinen wie im Grossensäte der Walliser in seinem bisherigen Leben als hingebungsvoller Kursleiter, Zen-Meister und Begleiter zahlloser Menschen in Projekten rund um das Lassalle-Haus.
Den Titel „Brückenbauer zwischen Zen und Christentum“ kommentiert er im Buch mit seinem unverwechselbaren Humor: „Für mich nehme ich höchstens in Anspruch, eine Hängebrücke zu sein, wie sie heute öfters in den Bergen zu finden ist. Hängebrücken lassen sich leicht abbauen und an andere Orte verlegen.“
Niklaus Brantschen liebt die Struktur: Das Buch enthält zweimal fünf Kapitel und in der Mitte ein Intermezzo. Die Fülle der Tagebucheinträge lassen den Lesenden staunen. Sie sind gespickt mit Humor und Selbstironie.
In den ersten vier Kapiteln werden die Jahre der Kindheit im Wallis lebendig. Brantschen erinnert sich an seine priesterlich-jesuitische Laufbahn sowie die Lehrjahre in Japan. Er lässt seinen ersten Japanaufenthalt 1976 Revue passieren. Erstmals nahm er an einem Rohatsu-Sesshin teil, einer intensiven Zen-Woche in Erinnerung an das Erwachen des Buddha. Damals habe er gefroren wie ein Schlosshund. In den kommenden Sommern in Japan allerdings schwitzte er wie in einer Sauna. Das sollte seine erste Lektion im Zen sei: Zittere, wenn es kalt ist, schwitze wenn es heiss ist.
Liebevoll erzählt er von seinem Lebenswerk, der Neupositionierung des Lassalle-Hauses 1993. «Das Lassalle-Haus ist ein Stück von mir», schreibt er im Rückblick. Damals begann eine unglaublich kreative und produktive Zeit in Zusammenarbeit mit Pia Gyger und unterstützt von Anna Gamma.
Im 5. Kapitel des Buches „In die Jahre gekommen“ versucht er, das Wahrnehmen des Moments, in dem das Buch entstanden ist, zu erfassen. „Ich dachte bis vor kurzem immer noch: Alt werden die anderen, die anderen sterben…“ In einem Tagebucheintrag 2015 notierte er: „Ich werde nicht nur alt, ich bin alt.“
Im 10. Kapitel „Das Zeitliche segnen… und jetzt beginnen….“ will er nicht den Löffel abgeben, wie das in der landläufigen Redensart verstanden wird. Er schreibt nicht übers Sterben, sondern über das Segnen, das in der Formulierung „Zeitliches segnen“ zum Ausdruck kommt. Er macht Mut, beizeiten das Zeitliche zu segnen, das Leben zu geniessen und nicht zu warten, bis die letzte Stunde schlägt. Er ermutigt in achtsamer, liebevoller Haltung selber mehr und mehr für andere Menschen zum Segen zu werden. (Senta Graf )
Niklaus Brantschen. Zwischen den Welten daheim. Brückenbauer zwischen Zen und Christentum. Patmos Verlag 2017. 172 Seiten, Fr. 33.90