Der Gehirnforscher Gerald Hüther ist bekannt dafür, dass er Klartext spricht – und zwar auf eine Art, die nicht unbedingt dem Mainstream entspricht. Das tut er auch in seinem informativen neusten Buch. Bereits in der Einleitung schreibt er: «Das, was uns krank macht, sind nicht die psychischen Belastungen, die körperlichen Abnutzungserscheinungen oder die vielen Krankheitserreger, die überall herumschwirren. Krank werden wir deshalb, weil wir unser Leben nach Vorstellungen gestalten, die uns krank machen.» Ein Satz, über den nachzudenken sich lohnt – gerade auch in der jetzigen Zeit.
Einfach und logisch erklärt er, wie unser Gehirn funktioniert und wie es sich umbaut, wenn wir den Erwartungen von anderen entsprechen wollen oder müssen, um zu einer Gemeinschaft zu gehören und Verbundenheit zu erleben – eine Erfahrung, die fast jedes Kind machen muss.
Lieblosigkeit erleben wir nicht nur als Kinder, sondern auch als Erwachsene in einer von ökonomischen Zwängen beherrschten, globalisierten und digitalisierten Welt. Ganz oft können wir in dieser für unser Wohl schädlichen Umgebung nur funktionieren, indem wir uns selbst und anderen gegenüber lieblos sind – wir stehen in dauerndem Konkurrenzkampf, unterdrücken Schmerzen, bewegen uns zu wenig und schlafen nicht genug.
Hüther betont, dass jeder Heilungsprozess, selbst wenn er von der modernsten Medizin unterstützt wird, immer ein Selbstheilungsprozess des Körpers ist. Wenn unser Hirn und damit unser Körper durch liebloses Verhalten uns selbst gegenüber jedoch so sehr aus dem Gleichgewicht gekommen ist, wird unsere Selbstheilungsfähigkeit unterdrückt.
Die gute Nachricht ist, dass das menschliche Hirn zeitlebens umbaufähig ist. Es ist nie zu spät, sich aus einmal gebahnten Mustern des Denkens, Handelns und Fühlens zu lösen und einen anderen Weg einzuschlagen.
Der Neurologe schlägt in seinem spannenden Buch einen ebenso wirksamen wie leicht begehbaren Weg vor, den jede und jeder Einzelne sofort beschreiten kann, um aus der Verirrung herauszufinden: Statt uns mit unseren Vorstellungen darüber zu verbinden, was ein erfolgreiches Leben ist und wie wir zu funktionieren haben, können wir unsere Lebendigkeit zurückerobern, unserer Freude und Kreativität. So werden wir sofort liebevoller mit uns selbst und damit gesünder. Denn sowohl Gesundheit als auch Krankheit sind ein Prozess, kein Zustand.
Gerald Hüther. Lieblosigkeit macht krank. Was unsere Selbstheilungskräfte stärkt und wie wir endlich gesünder und glücklicher werden. Verlag Herder 2021. 172 Seiten, Fr. 28.90