Alan Watts (1915-1973) war ein weltberühmter Religionsphilosoph und Autor von über fünfundzwanzig Büchern. Schon als Jugendlicher faszinierte ihn der Buddhismus. Nachdem seine Karriere als Priester abrupt ein Ende gefunden hatte, wandte er sich vertieft den östlichen Weisheitstraditionen zu. 1957 veröffentlichte er «The Way of Zen». Das Buch wurde zum ersten Bestseller über den Buddhismus und machte ihn international bekannt.
Watts trug in den kommenden Jahren viel dazu bei, die östliche Philosophie in der starken Aufbruchszeit Mitte des 20. Jahrhunderts im Westen populär und nachvollziehbar zu machen. Mit seiner Interpretation des Zen Buddhismus und Taoismus traf er bei der Hippie-Bewegung den Nerv der Zeit und prägte ihr Weltbild und ihren Lebensstil wesentlich mit. Kennzeichnend für diese Bewegung war das Gefühl der Beengtheit innerhalb der eigenen Kultur und der grosse Aufbruch in den Osten, Richtung Indien mit seiner ganzheitlichen Mystik.
Alan Watts Buch ist eine Zeitreise. Es finden sich darin ganz viele Perlen, Einsichten und tolle Geschichten zu den grossen Fragen der Menschheit: Wer sind wir? Wie können wir uns aus der Selbsttäuschung (Avidya) befreien? Wie erlangen wir echte Verbundenheit mit der Natur in und uns herum? Wir können wir höhere Bewusstheit und somit Befreiung erlangen? WattsVorträge und Werke sind durchwoben mit den wichtigsten Erkenntnissen der Weisheitslehren Asiens, aber auch immer mit der Optik moderner westlicher Psychologie.
«Über den Geist hinaus» ist kein in sich geschlossenes Buch mit einer klar umrissenen Thematik. Es ist eine Sammlung von historischen Aufnahmen, von Tondokumenten, die sich inhaltlich harmonisch zusammenfügen. Dies widerspiegelt sich auch in der Tatsache, dass wir gesprochene Sprache lesen und diese eine andere Qualität hat als ein sprachlich ausgefeiltes, komplett durchdachtes und systematisch aufgebautes Buch.
Lebensnah, unkonventionell und pointiert führt uns Watts durch die Lehren der grossen spirituellen Traditionen. Seine Stärke ist, komplexe Inhalte klar und einfach zu erklären. Seine Sprache ist erfrischend, manchmal stösst sie auch vor den Kopf, weil er das ausspricht, was er denkt. Als spiritueller Lehrer und Vermittler zwischen Ost und West macht er deutlich, dass die Grenzen des rationalen Verstandes zu eng sind, um dem spannenden Spiel des Lebens mit allen Facetten des Menschseins gerecht zu werden. Am Ende geht es darum, wie wir weise unsere existenzielle Unsicherheit und Vergänglichkeit annehmen und befrieden können, um unseren tiefsten Sinn zu finden.
Um mit Alan Watts zu sprechen: «Man muss den Verstand verlieren, um zur Besinnung zu kommen.»
Barbara Burkhardt
Alan Watts. Über den Geist hinaus. Die östliche Weisheit der Befreiung. O.W. Barth Verlag 2020. 256 Seiten, Fr. 31.90