Im Alltag lauert Altersdiskriminierung überall – in scheinbar harmlosen Witzchen, im Berufsalltag, auf Geburtstagskarten ebenso wie in der Kosmetikindustrie. Obwohl wir früher oder später alle davon betroffen sind, fehlt den meisten das Bewusstsein. Nun wehren sich immer mehr Menschen dagegen.
Wissenschaftler:innen haben herausgefunden, dass wir von klein auf Stereotypen, soziale Bilder und Vorurteile absorbieren, die Menschen gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen haben. Laut Christian Maggiori, Professor an der Hochschule für Soziale Arbeit in Freiburg, ist es ab dem Alter von 12-13 Jahren fast unmöglich, diese Prägungen zu löschen. Obwohl wir verstandesmässig erkennen, dass ein bestimmtes Verhalten unangebracht ist, schaffen wir es nicht, diesen Automatismus zu unterdrücken.
In einem Interview mit «swissinfo.ch» sagte er einmal: «Im Lauf der Jahre entwickeln sich diese Prägungen weiter, stärken, mutieren, manifestieren sich. Und an einem bestimmten Punkt, wenn man selber alt wird, werden die Stereotypen, die man gegenüber älteren Menschen hatte, zu den Stereotypen von sich selbst. Diese bestimmen das Selbstbild, das der ältere Mensch von sich hat.» Anders gesagt: Mit unserer altersdiskriminierenden Einstellung schaffen wir heute unsere eigene Diskriminierung von morgen.
Ein wichtiger Grund, warum es immer mehr Kritik am Ageism gibt, ist die Tatsache, dass mit den Babyboomers (zwischen 1950-1964 geboren) die bevölkerungsstärkste Gruppe in die Jahre gekommen sind. Zu ihnen gehört auch die deutsche Satirikerin Desirée Nick. In ihrem Buch «Alte Weisse Frau» geht sie bissig, unverblümt und treffsicher auf die Fallstricke, Vorurteile und die doppelte Diskriminierung von Frauen im Alter ein. Denn Männer werden immerhin noch als Gruppe «alte weisse Männer» zusammengefasst, während die Frau «in der homogenen Masse von ‚Fifty Shades of Beige’» untergeht.
Die Reality-Ikone und Trash-Legende, wie sie sich selbst nennt, hat die Nase voll von zwiespältigen Komplimenten wie «attraktiv für dein Alter» oder «ach fuffzig? Das hätte ich aber nicht gedacht!». Älterwerden bedeutet für sie Fortschritt, und sie ist überzeugt, dass in der zweiten Lebenshälfte rein gar nichts aufgegeben werden muss, ganz im Gegenteil: «Befreit vom Ballast der Berufswahl, Ausbildung, Karriere, Partnersuche, Kindererziehung liegen viele Jahrzehnte vor uns, die uns Kapazitäten und Freiräume schenken, von denen noch keine Generation zuvor jemals träumen konnte.»
Mehr zum Thema Anti-Ageism in der aktuellen Ausgabe 3/24.