Text: Rahimo Täube
Sich im Yoga wirklich Zeit zu lassen, um sich zu fühlen, fällt vielen schwer. Der in unserer Gesellschaft mächtig wirkende Leistungsdruck hat uns anscheinend so tief geprägt, dass wir ihn auf die Yogamatte mitnehmen. Es ist höchste Zeit, wieder ins Fühlen zu kommen.
In der Haltung des Machens richtet sich unser Fokus vor allem auf Objekte, die wir «behandeln». Deshalb gehen wir auch mit unserem Körper um wie mit einem Objekt, das bearbeitet und optimiert werden muss, damit es wieder gut funktioniert. Wir geben unserem Körper Anweisungen, wie er sich zu verhalten und zu bewegen hat: «Tu dies, tu das!» Der Körper selbst hat dabei wenig Chancen mitzuteilen, was er wirklich braucht. Seine tieferen Wünsche und Bedürfnisse werden gewöhnlich überhört.
Wir müssen mit unserem Körper nicht wie mit einem Objekt umgehen, das wir beherrschen. Wir können auch auf Augenhöhe mit ihm verkehren – wie mit einem Subjekt, das wir ernst nehmen. Wir können ihn als Leib erleben, als ein beseeltes, fühlendes Wesen. Unser Körper möchte als beseelt wahrgenommen werden. Er ist der Tempel unserer Seele. Er ist die Bühne, auf der unser seelisches Geschehen sich ausdrückt. Er hat uns viel zu erzählen und möchte gehört werden.
Er kann sich aber nur auf körperlicher Ebene ausdrücken: in Form von Verspannungen, Unruhe, Erschöpfung, Angst, Ärger, Schmerz. Sie alle sind Botschaften, Hilfeschreie, Versuche des Körpers, mit uns zu kommunizieren.
Diese Stimmen können wir deutlicher werden lassen, vernehmen und auch verstehen, wenn wir unsere Yogaübungen sensibler gestalten: weniger technisch und mehr empathisch, weniger direktiv und mehr dialogisch, weniger programmatisch und mehr rezeptiv. Solch ein Yoga braucht weniger eine schulmässige Atmosphäre, als vielmehr eine Ruheinsel für die Seele.
Mehr dazu sowie Übungen in der aktuellen Ausgabe 1/23.