Carlo Vella nennt den menschlichen Körper ein Wunder der Evolution. Aus dem Konzept von Patanjali, dem Rückzug der Sinne und der Atemachtsamkeit des Pranayama, verbunden mit dem tantrischen Element des Göttlichen und dem Tao Yoga des inneren Lächelns, entwickelte er die meditativ heilsame Methode der inneren Schau.
„Yoga! Das Magazin„: Was ist dir während deines langjährigen Yogaunterrichtes besonders aufgefallen?
Carlo Vella: „Die meisten Menschen führen ihren eigenen Körper wie einen Seitenwagen durchs Leben. Sie erfahren ihn oft nur durch Schmerzen. Oder wenn sich bei einer ärztlichen Untersuchung eine Krankheit aufzeigt, geht es plötzlich ans Läbige. Vorher realisieren sie fast nichts. Aussagen wie ‚mein blöder Nacken‘, ‚meine eklige Bandscheibe‘, ‚meine lausige Pumpe‘ haben mich auf einen Weg geführt, der mich geradezu verpflichtete, mich mit diesem ungesunden Verhältnis zum eigenen Körper zu beschäftigen. Aus dieser Beschäftigung wurde bald ein wesentlicher Bestandteil meines Lehrens und Wirkens.“
Um was geht es dir im Yoga?
Carlo Vella: „Die Yogapraxis mit ihren meditativen Elementen ist eine der Möglichkeiten der Verinnerlichung, die uns erlaubt, die innere Fülle zu erfahren. Das kann nicht über intellektuelles Wissen erkannt werden. So verstehe ich auch die Asanas. Es geht mir nicht um das Absolvieren möglichst zahlreicher Übungen oder gar um Perfektion, sondern um die Verinnerlichung einer Erfahrung, die entsteht, wenn die Übung in uns etwas auslöst. Wenn du dich der Yogaübung nicht hingeben kannst, wirkt das Energiefeld dieser Übung nicht.“
Wie kamst du zum Yoga?
Carlo Vella: „Im Rahmen der Yesudian-Bewegung kam ich erstmals mit Yoga in Kontakt. Das waren zunächst recht anstrengende Körperübungen, oft mit Affirmationen verknüpft. Der Grund, warum ich zum Yoga kam, war die jahrelange Migräne, die ich zuvor mit Autogenem Training und Tai Chi zu heilen versucht hatte. Sie war das Resultat von Berufsstress und einem Burnout im Alter von vierzig Jahren. Es brauchte sieben Jahre Yogapraxis, bis ich geheilt war. Seither verspürte ich nie mehr Kopfschmerzen.“
Du hast ja auch in der Strafanstalt Regensdorf unterrichtet. Wieso?
Carlo Vella: Der innere Ruf, mich für Menschen in besonderen Lebenssituationen zu engagieren, bewog mich, Yoga für Schwerhörige, für Blinde und für Gefängnisinsassen anzubieten. In der Strafanstalt Regensdorf wirkte ich vierzehn Jahre lang als Yogalehrer. Die Gefangenen – nur Männer – hatten genügend Angebote für Fitness und sportliche Betätigung. Was ihnen fehlte, war eine neue, innere Wahrnehmung. Gefragt waren Entspannung, Ruhe und eine bewusste Atmung.
Wichtig war mir, den Insassen ohne Angst und völlig neutral zu begegnen. Es war eine berührende Erfahrung zu sehen, wie diese Männer entspannt und friedlich vor mir lagen. Nie werde ich die Aussage eines Gefangenen vergessen: ‚Die Yogastunde ist die einzige Stunde in der Woche, in der es mir wohl mit mir selbst ist.‘
Das ausführliche Porträt über Carlo Vella findet sich in der aktuellen Ausgabe 3/21.