Nicht nur für Skeptiker*innen hat Ulrich Ott hat ein sehr spannendes, toll aufgemachtes Buch zu den wissenschaftlich untersuchten Methoden und Wirkungen von Meditation geschrieben. Er will mit dem Buch vorwiegend kritische Menschen erreichen. Sie von der Tiefe und Wirksamkeit der alten Techniken überzeugen, indem er diese nachvollziehbar erklärt und zum Ausprobieren und Erleben auffordert.
Als Ott im Gymnasiums einen Kurs für Yoga und Zen belegte, machte er erstaunliche und lebensverändernde Erfahrungen. Im Psychologiestudium versuchte er, seine Erfahrungen zu verstehen: Was passiert in tiefen meditativen Zuständen im Gehirn? Wie verändert sich die elektrische Hirnaktivität? Diese und ähnliche Fragen begleiten ihn seit vielen Jahrzehnten und machen ihn heute zu Deutschlands anerkanntestem Meditationsforscher.
Der Autor stützt sich nie auf «nur Gefühltes», sondern auf wissenschaftliche Befunde zu den Wirkungen von Meditation. Hier ist hilfreich, dass in den letzten zwanzig Jahren die wissenschaftliche Forschung zu Meditation und Achtsamkeit enorm zugenommen hat und viele solide Studien vorliegen. Schön ist, dass Ott sowohl den Geist eines Meditierenden wie auch eines Wissenschaftlers besitzt. Er will die Gemeinsamkeiten dieser zwei scheinbar diametral entgegengesetzten Disziplinen herausschälen.
Im ersten Teil geht es darum, was Meditation ist. Er beschreibt und vergleicht die verschiedenen Meditationstechniken und Gruppen von ähnlichen Techniken. Hier findet sich eine Liste der Top Ten Meditationen, die zeigt, dass die Körper- und die Atemempfindungen immer im Mittelpunkt stehen.
Ott versteht Meditation als Selbstregulation des vegetativen Nervensystems, umd die Entspannung zu unterstützen. Es geht aber auch darum Aufmerksamkeit zu kultivieren, Emotionen zu regulieren und im besten Fall den Bewusstseinszustand zu verändern: Erfahrungen also, in denen sich unser Alltagsbewusstsein, das geprägt ist von Raum-, Zeit- und Ichbewusstsein, auflöst und uns in einen anderen Bewusstseinszustand eintreten lässt.
Im Mittelteil stellt Ott drei Meditationen vor, die für geübte Meditierende nicht neu sind. Erfahrungsqualitäten wie Ruhe, Frieden, Klarheit, Wahrnehmung der inneren Mitte stehen im Fokus.
- Ruhe, Liebe, Klarheit kultivieren
- Energieformen im Körper wahrnehmen
- Die Dimensionen und das Zentrum des Bewusstseins erforschen
Sie leiten die Skeptiker*innen dazu an, ihren Körper und Atem, die Gefühle und das eigene Bewusstsein zu erforschen und zu erweitern. Ausgangspunkt und Anker aller meditativen Übungen ist immer der eigene Körper. Die Erklärungen, warum die Meditationen überhaupt praktiziert werden, basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Bewusstseins- und Gehirnforschung.
Ott kommt zum gleichen Schluss wie die alten Schriften: Meditationen bewirken eine stärkere Verbundenheit mit dem eigenen Selbst. Das Gefühl von Verbundenheit – mit sich selbst, mit dem Universum – ist das Kernmerkmal aller spirituellen Erfahrungen.
Im dritten Teil spricht er darüber, wie sich das Bewusstsein sowie spirituelle Einsichten durch regelmässiges Meditieren steigern und auf verschiedene Lebensbereiche auswirken. Sein Fazit ist: «Wenn sie durch die Praxis der Meditation eine neue Sicht auf sich und die Welt gewinnen, kann dies mit der Zeit Auswirkungen auf all ihre Lebensbereiche haben. Und dann entwickelt sich Meditation allmählich von einer Technik zu einer Lebenshaltung, die von Selbstbestimmung und erhöhter Achtsamkeit geprägt ist.»
Barbara Burkhardt
Ulrich Ott. Spiritualität für Skeptiker. Wissenschaftlich fundierte Meditationen für mehr Bewusstheit im Alltag. O.W. Barth Verlag 2021. 192 Seiten, Fr. 28.90