Natürlich weiss ich, dass Yoga im Westen und Yoga in Indien zwei Paar Schuhe sind. Ich bin nicht naiv. Und natürlich weiss ich auch, dass man mit offenen Augen nach Indien geht, sämtliche Vorurteile und jegliches Halbwissen zurücklässt und annimmt, was einem angeboten wird. Aber mit Swami Ramdev habe ich doch nicht gerechnet.
Ich hatte wirklich einen ganz bescheidenen Yoga-Wunsch, als ich mich kürzlich in Delhi und Bhopal herumtrieb: Ich wollte für meinen Yogaunterricht eine kleine Statue von Patanjali, dem Verfasser der Yoga Sutras, kaufen. Das, so fand ich (wohl doch ein wenig naiv), sei eine einfache Angelegenheit. Schliesslich gelten die Yoga Sutras als DAS Standartwerk zum Yoga. Nicht zu vergessen, dass Patanjali auch als Verfasser einer Grammatik und eines medizinischen Standartwerkes gilt – ein grosser Mann also.
Eigentlich ging ich davon aus, dass ich in die erstbeste Touristenfalle – der Laden im Hotel – hereinspazieren würde, um mir in aller Ruhe die Qualität und den Preis der Patanjali-Statuen anzusehen. Dummerweise hatten die Hotels, in denen ich abstieg, keine Läden. Deshalb begab ich mich in den Basar und hielt dort Ausschau. Überall lächelte mich der Elefantengott Ganesha gütig an, schwang Shiva seinen Dreizack, spielte Krishna auf seiner Flöte, blickten Sita und Rama geläutert in die Ferne. Doch weit und breit war kein Patanjali.
Schliesslich klaubte ich meine paar Brocken Hindi zusammen und fragte in einem der etwas exklusiveren Läden nach ihm. Als mich der Verkäufer verständnislos anblickte, wechselte ich auf Englisch und erklärte, ich spreche vom Verfasser der Yoga Sutras. Patanjali? Yoga Sutras? Er habe noch nie etwas davon gehört, war seine Antwort, bevor er mit lautem Geräusch klebrig-roten Paan ausspuckte. (Der Laden war wohl doch nicht so exklusiv.)
Okay, Yoga ist Luxus; kaum einer der Verkäufer in den Basars kann sich leisten, eine Yogalektion zu besuchen. Deshalb geduldete ich mich, bis ich einen Bekannten traf, der eine gute Ausbildung genossen hatte. Aber sicher übe er Yoga, erklärte er mir auf meine schüchterne Frage. „Jeden Morgen.“ Begeistert erklärte ich ihm mein Anliegen und fragte, wohin ich am besten gehen solle, um eine schöne Statue zu kaufen. Och, meinte er, wahrscheinlich in einen der Regierungsläden. Als er sich mit einer Kollegin beraten wollte und die nachfragte, was Patanjali sei, erklärte er: „Ein Gefäss für Wasser.“
Verstört starrte ich ihn an und sagte, nein, nein – ich spräche vom Verfasser der Yogasutras. Yogasutras? Ich begann von den Yogasutras zu erzählen, aber er unterbrach mich rasch. „Ah, ein Yogwala“, sagte er und lächelte wissend. Dieser Patanjali sei in Indien nicht bekannt. Heutzutage sei Swami Ramdev der grosse Stern am Yogahimmel. Jeden Tag könne man im Fernsehen mitturnen, und seine DVDs seien grossartig. Ich solle unbedingt eines mit nach Hause nehmen.
Ich hielt den Rest meiner Reise nach Patanjali Ausschau – nicht mehr mit ganz soviel Enthusiasmus wie zuvor, aber ich hielt Ausschau. Natürlich habe ich keine Statue von ihm gefunden. Dafür bin ich mit einer wunderschönen Statue von Ganesha zurückgekehrt – nicht für meinen Yogaraum, aber für mein Schlafzimmer.