Seit ich diplomierte Iyengar-Yogalehrerin bin, gebe ich als Berufsbezeichnung wahnsinnig gerne „Yogalehrerin“ an. Wer hat schon das Glück, mit über 40 Jahren noch einmal eine neue Berufsbezeichnung erhalten zu haben – und erst noch eine so coole? So schreibe ich auf all den Formularen, die man in den Ferien immer ausfüllen muss – angefangen beim Flughafen übers Hotel bis zur Tauchtour – schwungvoll „Yogalehrerin“ hin.
Die Reaktionen bleiben selten aus: Der Zollbeamte bei der Einreise nach Sri Lanka zog die Augenbrauen hoch und sagte „Aha, Yogalehrerin“, während er seinem Ton nach zu schliessen in Gedanken hinzufügte: „Soll das ein Beruf sein?“ Ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und sagte „ja“, während ich in Gedanken hinzufügte: „Wenn du wüsstest, dass ich auch noch Journalistin bin, liessest du mich nicht einfach so einreisen.“
Häufiger sind aber Reaktionen von vornehmlich Frauen, die den Yoga toll finden, selber Yoga machen oder schon lange einmal einen Kurs besuchen wollten. Mit ihnen entstehen meist angeregte Gespräche und es entsteht eine Bindung, die bis Ende der Ferien und manchmal darüber hinaus anhält.
Und dann gibt es die dritte Kategorie: Sie stürzen sich auf mich, weil sie in den Unterlagen gelesen haben, dass ich Yogalehrerin bin, oder weil ihnen auffällt, dass ich morgens vor dem Frühstück praktiziere. „Ach, du bist Yogalehrerin – kannst du mir nicht einmal eine Lektion geben?“ heisst es dann mehr oder weniger fordernd.
Das könnte ich natürlich schon, und tue ich eigentlich auch gerne; Unterrichten ist für mich eine sehr befriedigende und schöne Tätigkeit. Doch die Idee, dass ich gratis Yoga unterrichten soll, weil wir schliesslich alle in den Ferien sind und alles locker und entspannt ist, ist für mich ein bisschen befremdend. Denn erstens habe auch ich Ferien, selbst wenn ich Yoga übe, und zweitens bezahle ich für die Angebote vor Ort eine Stange Geld.
Wenn dann beispielsweise die Tauchlehrerin sympathisch lächelnd findet, ich könnte einmal mit ihr zusammen Yoga praktizieren und ihr zeigen, was sie an ihren Stellungen verbessern solle, verschlägt es mir zuerst einmal die Sprache. Denn leider ist es so, dass ich nicht gerne übers Geld rede und mich manchmal fast ein bisschen dafür geniere, dass ich mit einer Tätigkeit, die mir selbst so gut tut und die für mich auch Hobby und Freude ist, Geld verdiene.
Doch soweit ich es beurteilen kann, hat auch die Tauchlehrerin einen Beruf, der zugleich Freude und Hobby ist. Diese Erkenntnis hat mir in meinen letzten Ferien den Mut gegeben, „nein“ zu sagen. So übte ich weiterhin frühmorgens alleine für mich und machte tagsüber gemeinsam mit ihr meine bezahlten Tauchgänge. Das sind echte Ferien!