Was bewegt die junge britische Bibliothekarin Diane Perry, ein Schiff nach Indien zu besteigen, zwölf Jahre in einer abgelegenen Höhle im Himalaya zu meditieren und ein Nonnenkloster zu gründen? Wie wird die Surferin Patricia Zenn aus Malibu zum Kopf der wichtigsten internationalen Organisation buddhistischer Frauen? Diesen und andern Fragen geht Michaela Haas in ihrem wunderbaren, höchst inspirierenden Buch über die wichtigsten zeitgenössischen Meisterinnen des tibetischen Buddhismus nach, die im Westen lehren. Einfühlsam porträtiert sie zwölf Lebensgeschichten von herausragenden Lehrerinnen und Meditierenden, die voller Mut und Entschlossenheit ihrer Intuition folgten und teilweise dramatische Lebensentscheidungen treffen mussten.
Es ist kein Wunder, dass diese starken, charismatischen Frauen aus dem tibetischen Buddhismus stammen. Denn dieser beinhaltet ein einzigartiges Versprechen: dass Frauen auf dem Weg zur Befreiung das grössere Potenzial haben. Frauen, so glaubte Padmasambhava, der Wegbereiter des tibetischen Buddhismus im 8. Jahrhundert, seien besser dafür veranlagt, die Weisheit der Lehren zu erkennen. „Die besondere weibliche Qualität (über die natürlich auch Männer verfügen) ist für mich Klarheit“, sagt etwa Tenzin Palmo, die sich schwor, in einem weiblichen Körper Erleuchtung zu erlangen. „Sie durchdringt, sie durchschneidet – vor allem in Fällen intellektueller Verknöcherung. Das Dakini-Prinzip steht für mich für die intuitive Kraft. Frauen begreiffen blitzartig.“
Auch wenn der tibetische Buddhismus den Frauen viel zutraut, heisst das nicht, dass es für sie einfach war, sich ganz auf ein spirituelles Leben einzulassen. Während Männer selbstverständlich Mönche werden konnten, mussten sich Frauen das Recht darauf, eine Nonne zu werden, erkämpfen. Und bis heute steht den Nonnenklostern weniger Geld zur Verfügung als den Klostern für Mönche, was den Frauen das Lernen erschwerte.
„Die vielleicht bedeutsamste aller Veränderungen, die der Buddhismus im Westen erfahren hat, ist, dass Frauen darauf bestehen, gleichberechtigte Positionen einzunehmen“, schreibt Michaela Haas. „Immer mehr Lehrerinnen finden Zulauf und verstehen, dass ihre Verantwortung auch darin liegt, Frauen zu bestärken und zu ermutigen.“ Das tun diese zwölf aussergewöhnlichen Frauen, die in diesem Buch versammelt sind auf unterschiedliche Art und Weise.
Das Buch ist nicht nur für Leute interessant, die sich für den (tibetischen) Buddhismus interessieren, sondern auch für solche, die sich von starken Frauen inspirieren lassen wollen oder einfach gerne Lebensgeschichten lesen. Jede dieser Frauen hat eine bewegende Geschichte zu erzählen.
Michaela Haas. Buddhas furchtlose Töchter. 12 aussergewöhnliche Frauen, die den heutigen Buddhismus prägen. Droemer Knaur Verlag 2017. 432 Seiten, Fr. 21.90