Ich mag den Frühling. Ich mag das Gefühl, wenn es stark windet und ich das Gesicht in die Sonne halte. Sie wärmt schon wieder richtig schön. Die Luft ist nicht mehr so schneidend kalt. Es zwitschert überall aus den Bäumen. Meine Sinne erwachen. Ich schliesse die Augen. Grinse über alle Backen. Hatte ich da nicht gerade einen etwas anzüglichen Gedanken? Gebe ich mich meinen Träumereien hin? Oder soll ich doch eher die Wäsche erledigen? Oder Yoga üben…?
Sinnlich. Frühling ist sinnlich. Ich liebe es, wenn alles um mich herum spriesst. Ich geniesse die Frühlingssonne auf meiner Haut. Überlasse mich meinen Gedanken. Auch wenn ich sie als Yogini eigentlich ziehen lassen sollte wie die Wolken am Himmel. Aber jetzt bin ich ja nicht am Meditieren, jetzt bin ich einfach. Meine Augen schliessen sich automatisch, meine Sinne sind hellwach. Ich höre die Vögel tratschen. Worüber sie wohl reden mögen? Den neusten Klatsch aus der Siedlung? Wer mit wem …? Ein Hahn kräht – Moment – warum kräht der mitten im Nachmittag? – egal, vielleicht ist er einfach nur angeregt vor lauter Frühlingsgeflimmer. Ich höre Kinder draussen spielen, ein Auto fährt langsam vorbei. Vom Fussballplatz her weht ein Wettkampfschrei und ein Anpfiff rüber. Ich fühle mich gut.
Freiheit. Ich geniesse den Luxus, nichts Bestimmtes zu tun zu haben. Die Freiheit, ein Wochenende ohne Kinder zu verbringen und es für gut zu befinden. Genau diese Freiheit zu besitzen, in mein Lieblingscafé zu sitzen, einen leckeren Cappuccino und Kuchen zu bestellen und Zeitung zu lesen, einen neuen Blog zu schreiben oder einfach auch nur, um die Gäste im Café zu beobachten. Es spielen kleine Kinder rum, die Eltern unterhalten sich ziemlich entspannt, die Atmosphäre ist gelöst. Neben mir eine junge Frau, sie liest konzentriert die sonntägliche Zeitung und trinkt einen Tee. Ein Paar mittleren Alters kommt rein, setzt sich an ihren „Stammtisch“, wie ich mithöre, und freut sich darüber, dass er frei ist. Sie wirken sehr harmonisch. Schön anzusehen.
Sich hingeben. „Io mi lascio andare“ singt Jovanotti in einem seiner wunderbaren Lieder. Genauso fühle ich mich gerade. Kein Müssen. Kein Sollen. Einfach hingeben. Dem Moment. Ist das nicht zutiefst yogisch? Meine Haut streckt sich der Sonne entgegen wie eine Sonnenanbeterin. Ich will lachen, tanzen, mich bewegen, schwitzen. Lebendig sein. So fühlt sich Frühling bei mir an.