Was die Bocca della Verità und die Schlange Kaa in meiner Stube zu suchen haben.
Für die guten Vorsätze ist es glücklicherweise schon etwas spät. Und trotzdem hat die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr was. Eine Niemandslands-Zeit, die uns dazu bringt, über unsere jeweiligen Lebenssituationen nachzudenken. Eine Innenschau vornehmen. Und dann Bilanz ziehen.
Vielleicht kommen wir sogar zum Schluss, uns neue Ziele zu setzen. Vielleicht auch nicht, weil alles gut ist, so wie es gerade ist. Das wäre dann Lebenskunst. An diesen Punkt möchte ich auch gelangen. Irgendwann. Manchmal gelingt es sogar. Nur sind diese Momente rar.
Verstrickungen
Viel öfter jedoch finde ich mich verstrickt in diverse Wünsche, Pläne, Projekte, Aktivitäten, Aufgaben und Pflichten. Und das in umgekehrter Reihenfolge der vorigen Aufzählung. Meist sind es ziemlich alltägliche Dinge. Deren schiere Anhäufung macht sie überwältigend. Während ich den Geschirrspüler ausräume, kommen mir die Orchideen in den Sinn, die schon lange auf ihr Bad warten. Also schnell holen. Auf dem Weg in das Schlafzimmer sehe ich im Flur die frisch gewaschene Wäsche im Korb, die seit einer halben Stunde darauf wartet, aufgehängt zu werden. Ich ignoriere standhaft den Appell des Waschkorbes, pack die Orchideen, geh zurück in die Küche und räume weiter das Geschirr weg. Mein innerer Ordnungshüter erinnert mich: „Nicht vergessen: Text fertig redigieren fürs Büro! Kurz bei den Eltern mich melden, wegen dem Treffen am Wochenende. Picknick für den morgigen Schulausflug der Tochter einkaufen!!“ Klar klar, Einkaufszettel schreiben, Orchideen wässern, Wäsche aufhängen, das Handy brummt. Ganz normaler Alltag. Wenn meine Gedanken ein Emoticon wären, würde jetzt ein grosses Augenverdrehen gegen oben links aufpoppen. Wie war das nochmal mit der Achtsamkeit, die ich doch vor ein paar Monaten so schön in einem Kurs geübt hatte und als soooo wunderbar hilfreich empfand?
Furcht einflössend hypnotisierend
Achtsamkeit hin oder her – zuerst einmal wirbeln meine Gedanken weiterhin wie ein Derwisch im Kreis und ich verliere mich in ihrem Sog. Irgendwann tauche ich jedoch wieder auf und hole Luft. Dann gehe ich ins Wohnzimmer. Stehe auf meine Yogamatte, blicke an die Wand und schaue meine Sonne an. So nenne ich die Holzschnitzerei aus Burkina Faso, die eine Sonne symbolisiert. Sie erinnert mich einerseits an die Bocca della Verità in Rom (Sie wissen schon: der offene Schlund, wo man die Hand reinstecken soll) und andererseits an die Schlange Kaa aus dem Dschungelbuch mit ihren hypnotisierenden Augen. Und ist deshalb etwas Furcht einflössend. Zieht mich aber trotzdem in ihren Bann. Jedenfalls hilft sie mir, mich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Mich an meine Prioritäten zu erinnern. Und an mein Ziel. Oder meine Ziele, je nachdem, welche Anteile meiner Person gerade gefragt sind. Und dann – dann kommt eine meiner Lieblingsstellungen. Kriegerin 2. Kraftvoll und gleichzeitig locker, konzentriert, zielgerichtet. Eben so, wie ich gerne immer sein möchte. Und dann – dann schreibe ich eine meiner berühmten und ausufernden To-do-(Wunsch-)Listen. Mit der festen Absicht, diese auch schön eins nach dem anderen (systematisch sozusagen) abzuarbeiten. Diese Angewohnheit hat meine Tochter bewogen, mir zu Weihnachten etwas Passendes zu basteln. Einen Wochenplan mit farbigen Klämmerli und vielen leeren Zetteln. Damit ich mich nicht mehr verzettle. Der Hammer! 2017 wird ein Jahr mit System! Innerlich muss ich über mich grinsen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Man könnte ja auch sagen: Ich bin einfach sehr flexibel und vielseitig. Und dann ist das mit dem systematisch nicht mehr so erstrebenswert.
Und über meine Ziele sprechen wir ein anderes Mal. Das wäre dann der Beitrag mit dem Titel: Ausufernd.